Die letzten Tage – bis zum letzten Atemzug

Die letzten Tage – bis zum letzten Atemzug

Es ist eines der schwersten und schmerzlichsten Themen für uns Trauernde, diese letzten Stunden und Minuten im Leben unserer Liebsten. Es ist der Moment, der unser Leben in ein Davor und ein Danach teilt. Auch wenn man die Hand des liebsten Menschen halten konnte und ihn auf seinem letzten Weg begleiten durfte, so ist diese Stille, die dann plötzlich eintritt, die nun für immer da sein wird, der schlimmste Moment. Daran zu denken tut weh, auch noch nach langer Zeit. Ich selbst habe immer noch Angst, diesen letzten Moment erneut zu durchleben, denn plötzlich ist man allein. Alles Gemeinsame wird zu Erinnerungen, zu Vergangenheit. Man tritt hinaus auf die Straße und die Welt ist eine andere geworden. Auch ich war in den letzten Minuten im Krankenhaus am Bett des geliebten Menschen. Auf dem Monitor erschien diese durchgezogene Linie. Danach wurden alle Geräte abgestellt und alle Schläuche und Kanülen entfernt. Dann begann das Abschiednehmen, der letzte Blick auf diesen Menschen, den ich sprechen, lachen, gehen, schlafen sah. Noch war sein Körper warm und ich habe es lange nicht begriffen, dass es wirklich das Ende war. Wie soll man es auch begreifen, dass ein lebendiger Mensch, der zu unserem Leben gehörte nun nie mehr zur Tür hereinkommen wird, uns nie mehr in den Arm nimmt und uns anschaut.


Hier haben einige Trauernde die letzten Tage, Stunden, Minuten beschrieben, in denen sie ihnen nahe Menschen oder den einen nahen Menschen gehen lassen mussten.


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Also ich habe meinen Vater plötzlich verloren, ein Abschied war nicht möglich. Der Schock darüber hat mich sicher 1,5 Jahre fest im Griff gehabt.

Bei meiner Mutter war es das andere Extrem. 3,5 Jahre Pflegefall und dann ein Abschied bei ihr. Einerseits war es gut für mich, dass ich dieses Mal den Übergang vom Leben zum Tod mitbekommen habe. Als friedlich habe ich es überhaupt nicht empfunden.

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Ja, das ist das schlimmste und schmerzhafteste Erlebnis was ein zurückgebliebener Angehöriger ertragen muss, wenn der geliebte Mensch so ganz ohne Verabschiedung aus dem gemeinsamen Leben geht.


So ist es uns ergangen.


Hausarztbesuche waren wegen der Corona Pandemie nicht möglich und so wurde einfach eine Krankenhauseinweisung angeordnet ohne den Patienten untersucht zu haben. Mein geliebter Ludwig wollte nicht ins Krankenhaus und in meiner Hilflosigkeit bat ich ihn, doch dem zu folgen. Meine Bitte, dort ein Zweibettzimmer mit Bezahlung zu bekommen, wurde abgelehnt, bedingt durch die Pandemie. Wir wollten zusammenbleiben, weil der Gesundheitszustand nicht gut war. Es war keine Coronaerkrankung.


10 Tage war ich ständig bei ihm bis zu 10 Stunden am Tag. Das wurde gestattet, aber nicht die Übernachtung und in dieser Zeit meiner Abwesenheit ist mein geliebter Mann dann kurz vor meinem täglichen Besuch verstorben. Ganz einsam in diesem grässlichen, kahlen Zimmer. Er sollte nach Hause und ich war schon dabei alles zu organisieren, aber der Tod war schneller.


Das ist ein so großer tiefer Schmerz, der mich täglich zerreißt, selbst nach über zwei Jahren der Trennung. Ohne ein Wort, ohne eine liebevolle Geste oder Berührung, einfach fort.


Drei Stunden durfte ich aber dann bei ihm Abschied nehmen und ich habe die Gemeinsamkeit, die man mir einräumte, mit meinem geliebten Ludwig in mich eingesogen. Ich konnte ihm noch alles sagen, vielleicht hat es ihn noch erreicht.

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Mitte Januar 2023 war nach dem 2. Rückfall der AML im Dezember 2022 meines Mannes mit 95% Blasten im Knochenmark nur noch eine experimentelle Chemotherapie mit wenig Aussicht auf Erfolg möglich. Sein Zustand verschlechterte sich durch die häufigen Infektionen und eine aufsteigende Sepsis zusehends, so dass er nur noch einmal aus dem Krankenhaus nach Hause durfte. Das waren Ende Januar zwei Tage, die er hier bei uns zu Hause verbringen durfte.


Bereits am 2. Tag musste ich ihn mit dem Rettungswagen wieder in die Uniklinik nach Mainz bringen lassen. Er war zu Hause zusammengebrochen und brauchte dringend eine Bluttransfusion, da keine Eigenblutbildung mehr vorhanden war. Es wurden noch mal eine andere Chemotherapie und unterschiedliche Antibiotika gegeben, da mein Mann diesen Wunsch hatte, es noch mal zu versuchen, er wollte leben für uns.


Leider gab es keine Aussicht auf Erfolg, die Therapie schlug nicht mehr an, so entschlossen wir uns, mein Mann, unsere Tochter (selbst Ärztin) und ich, uns in Absprache mit den behandelnden Ärzten zu einer Änderung auf Palliativversorgung. Leider war eine Verlegung auf die Palliativstation, oder nach Hause wie es eigentlich geplant war, nicht mehr möglich. So blieb mein Mann in seinem Zimmer auf der Station.


Ich erhielt sofort vom Stationsarzt das Angebot bei ihm bleiben und die letzte Zeit mit ihm dort verbringen zu dürfen. Während unsere Tochter bei ihm blieb, fuhr unser Sohn mit mir nach Hause, es musste einiges geregelt werden und ich brauchte einiges für die nächsten Tage im Krankenhaus. Dann ging es zurück in die Uniklinik. Es war schon ein Bett im Zimmer ganz nah neben dem meines Mannes, so konnte ich ganz nah bei ihm sein, seine Hand halten, ihn in den Arm nehmen und mit ihm sprechen. Er bekam Morphium gegen die Schmerzen, war sehr müde, aber ansprechbar und orientiert und konnte alle Entscheidungen noch selbst mit mir gemeinsam treffen, er hatte keine Angst und war schmerzfrei und es gab keine ungeklärten Fragen.


Das Palliativteam kam zweimal am Tag zusätzlich auf die Station, um uns zu betreuen und ihn zu versorgen, mit uns zu sprechen und uns zur Seite zu stehen. Es war eine wirklich gute Versorgung, die uns hier geboten wurde.


Am 17.02.2023 um 7.00 Uhr ist mein Mann in meinen Armen ganz friedlich und ohne Schmerzen eingeschlafen. Ich hatte so Angst vor diesem Moment, vor dem letztem Atemzug, davor dass er nicht mehr bei mir ist, aber nach 6 Jahren und 2 Tagen schwerer Krankheit war es für ihn eine Erlösung und ich bin unendlich dankbar, dass ich meinen Schatz begleiten durfte bis zum letzten Atemzug. Ich blieb noch ca. 1,5 Stunden bei ihm im Zimmer und verließ dann das Krankenhaus.


Mein Herz begreift bis heute nicht, dass er nicht mehr bei mir ist, aber mein Kopf sagt, wir haben genau richtig entschieden.


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Oha, dieser Tag, dieser Moment... die Vortage will ich gar nicht erst ausführen. Ich blicke jetzt auf den 25.7.22, ein Montag war es, zurück.


Ich machte mich wie immer fertig, ging mit meinem Rucksack zur Tür raus. Um 11:34 sollte mein Bus kommen, wie jeden Tag während der Woche, um 11:40 wäre ich am HBF gewesen, und hätte wie immer den Zug um 11:51 nach Mainz genommen... An dem Tag kam mein Bus einfach nicht, so musste ich den nächsten Zug nach Mainz nehmen, ich dachte schon, was für ein mieser Tag.


In Mainz im Krankenhaus angekommen, klingelte schon mein Handy, der Oberarzt war dran, ob ich heute komme, es wäre sehr wichtig. Ich erklärte ihm die Verspätung, und dass ich quasi schon da sei. Ich wurde dann auch direkt nach meiner Anmeldung empfangen, ich wusste direkt, heute ist kein guter Tag. Man erklärte mir, Althea würde die Nacht nicht überstehen, sie könnten nichts mehr für sie machen. Schockstarre, man bot mir seelsorgerische Hilfe an, ich wollte aber nur zu meinem Schatz. Durfte ich dann auch, man stellte mir sogar ein Beistellbett an Altheas Bett, damit ich ununterbrochen bei ihr sein kann. Ich sah auf dem Monitor, wie ihr Herzschlag, ihr Puls immer schwächer wurde, ich nahm sie so oft in die Arme, betete "bitte kämpfe“, vergebens.


Irgendwann kam dieser Ton vom Gerät, das was man nur vom TV kennt... sie war gestorben, mein Schatz. Es war 23:46 Uhr. Die Ärzte und Pfleger kamen rein, sprachen mir ihr Beileid aus. Ich wusste da gar nicht, was überhaupt los ist. Mein Schatz lag da, aber sie war tot.

Ich solle mir alle Zeit der Welt nehmen, sagte man mir... ich strich mit meiner rechten Hand noch ihre Augen zu und blieb noch ca. 45 Minuten bei ihr, legte meinen Kopf auf sie und gab ihr noch einen Kuss auf den Mund.


Dann meldeten sich schon unsere Freunde aus Frankreich, die extra gekommen sind, um mich abzuholen, wie wäre ich auch anders nachhause gekommen. Als ich aus dem Zimmer ging, wusste ich, dass ich meine Maus nie wieder sehen werde...


Dieser Abend ist immer noch wie ein Trauma für mich, ich sehe sie da liegen und kann nichts für sie tun, das tut weh, sau weh!

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Der letzte Tag an Sigis Seite im hiesigen Klinikum war, so komisch das zunächst klingen mag, ein guter Tag und ein Tag, der mir im Lauf des Trauerprozesses oft geholfen hat. Anfangs war es noch traumatisch. Auf Anweisung der Klinik-Organisation wurde Sigi nochmal verlegt und das begann schon, bevor ich kam. Er wusste nicht, was da passiert und hat schon nach mir gerufen, als ich zur Tür reinkam. Ich ging schnell zu ihm und sagte, alles sei ok, ich wäre jetzt da und würde auf ihn aufpassen. Die Pfleger entschuldigten sich bei mir und eine Schwester sagte wörtlich "Sowas sollte denen da oben auch mal passieren".


Das Zimmer, das in der Nacht darauf Sigis Sterbezimmer werden sollte, war ein Eckzimmer mit Blick über den kleinen Park hinter der Klinik, das Wetter war nebelig und nass. Die erste Tageshälfte war trostlos und ereignisarm. Sigi dämmerte im Morphin-Nebel und ich saß am Bett und war zerstört und entkräftet. Zur Mittagszeit kam ein alter Freund Sigis und löste mich ab, sodass ich etwas essen gehen konnte. Das tat ich in der emotionalen Lähmung, die ich in diesen Tagen verspürte. Alles war dunkel, ich dachte nicht über das nach, was kommt, ich versuchte nur, diese Trostlosigkeit irgendwie so stoisch wie möglich zu ertragen.


Am Nachmittag dann verabschiedete sich Sigis Freund, ich bedankte mich bei ihm. Außerdem fand ich eine Notiz vom Leiter der Dialysestation, der zwar nicht mehr für Sigi zuständig war, aber bis zu seinem Tod immer mal wieder nach ihm schaute. Das freute mich. So hatte Sigi in meiner Abwesenheit Gesellschaft.


Um der Situation etwas die Dramatik zu nehmen, räumte ich instinktiv ein bisschen das Krankenzimmer auf und pfiff dabei ein Liedchen, wahrscheinlich um das Ganze etwas alltäglicher und erträglicher zu machen und mir selbst ein wenig Harmlosigkeit vorzugaukeln. Plötzlich merkte ich, dass Sigi aus dem Morphin-Schlummer erwachte und mich klar und wach anschaute. Er kannte das Lied, das ich pfiff, es begleitete uns oft auf CD auf Reisen im Auto. Das hatte offensichtlich seine Aufmerksamkeit geweckt und er schaute mich mit großen Augen an. Sprechen konnte er nicht mehr zu dieser Zeit.


Ich begriff, dass dies wahrscheinlich das letzte Mal sein würde, dass er wach und aufnahmefähig war, ließ alles stehen und liegen, setzte mich zu ihm ans Bett, ließ auf dem Handy die Originalmusik der CD laufen und er sprach darauf deutlich an. Das war meine Chance. Ich umarmte und küsste ihn und dankte ihm für all die Jahre an meiner Seite, dankte ihm, dass er ein so verlässlicher und guter Partner war und sagte immer wieder, dass ich ihn liebe. Er ergriff meine Hand und drückte sie so fest, dass ich mich wunderte, wo er im Angesicht des Todes und der Schwachheit noch diese Kraft hernahm.


Und so verweilten wir über eine Stunde lang zu den Klängen dieses Albums meines Freundes Claus Flittiger und ich merkte, dass nicht nur ich, sondern auch Sigi ein wenig ruhiger wurde und dass diese Situation etwas sehr Tröstendes hatte. Ich spürte die Erleichterung darüber, dass ich meinen Moment noch bekommen hatte, diesen letzten Moment der Klarheit und Wachheit Sigis, in dem ich ihm das auf seine letzte Reise mitgeben konnte, was ich aus meiner Sicht als die Essenz unserer 28jährigen Beziehung sah: seine Liebe, Verlässlichkeit, die Geborgenheit, die er mir gab und meine Dankbarkeit und Liebe, die, wie ich ihm sagte, auch nach seinem Tod nie aufhören würde.


Der letzte Atemzug an seiner Seite war mir leider nicht vergönnt. Als er irgendwann nach 18 Uhr wieder wegzudämmern begann, fragte ich ihn, ob ich gehen könnte. Er nickte. Es war zu diesem Zeitpunkt nicht klar, dass er in dieser Nacht sterben würde, also musste ich bereit sein, am nächsten Tag wieder um die 10 Stunden an seiner Seite zu sein. Ich hatte mit den Pflegern ausgemacht, dass sie mich anrufen, wenn das Ende naht und ich dann sofort zur Klinik fahre. Um 3 Uhr in der Nacht kam der Anruf, dass Sigi zu diesem Zeitpunkt unerwartet für immer eingeschlafen sei. Sie wären 10 min vorher noch bei ihm gewesen und er hätte stabil und ruhig geatmet. Sie entschuldigten sich bei mir, ich sagte, es sei schon ok und ich würde sofort kommen.


Heute denke ich, dass diese letzten Stunden der Wachheit und meine Worte an ihn, meinem Sigi eventuell das Gefühl gaben, dass es nun gut sei und er sich dann fallen ließ und sich nicht mehr wehrte. Und auch wenn ich eigentlich unbedingt an seiner Seite sein wollte, wenn er die letzte Reise antritt, empfand ich die nun nicht mehr zu ändernde Situation nicht als schlimm. Zwischen uns war alles gesagt, nichts offen, alles gut. Wir waren ein sich liebendes Paar, bis der Tod uns schied und gingen in Liebe und unendlich großer Wertschätzung auseinander.


Der Nachmittag des 7. Januar 2019 war der Punkt, an dem wir beide wach und wissend voneinander Abschied nahmen. Ich sagte alles, was ich ihm sagen wollte und er drückte meine Hand, so fest er konnte und ließ sie nicht mehr los. Seinen letzten Atemzug bekam er nicht mehr mit. Das Morphin hatte ihn langsam in den Tod dämmern lassen. Es tut mir leid, dass ich nicht da war, aber ich kann es nicht ändern und niemand hat Schuld, die Pfleger haben regelmäßig nach ihm geschaut und der Tod kam mindestens einen Tag früher als wir alle erwartet hatten.


Ich denke, aus diesen Sätzen geht hervor, was ich meinte, als ich oben schrieb, dass Sigis letzter Tag bzw. sein Verlauf mir in der Folgezeit oft geholfen hat und Kraft schenkte: wir haben unsere lange Beziehung und Ehe zu einem guten Ende gebracht, es blieb nichts ungesagt, wir waren uns der gegenseitigen Liebe bis zum letzten Moment absolut sicher. Mehr kann man nicht tun. Es starb der wichtigste Mensch in meinem Leben, aber wir sind diesen unausweichlichen Weg gemeinsam in Würde und Liebe gegangen. Das gab und gibt mir immer wieder das Gefühl, dass wir beide das gut gemacht haben und nichts anders oder besser hätten machen können.

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Ich habe am ersten Todestag unsere letzte Woche minutiös aufgeschrieben, es war nicht nur zur Trauerbewältigung, ich wollte vor allem nichts vergessen. 10 Jahre ist das nun her und noch immer ist mir unsere letzte Woche im Gedächtnis.


14.07.2012


Habe heute Nacht mal wieder tief und fest geschlafen...allein das Wissen, dass ich dich nach Hause hole......bin heute extra früh aufgestanden...möchte noch einkaufen und den Haushalt erledigen, bevor wir zu dir fahren.....


11.00 Uhr.....irgendetwas stimmt nicht....ich werde ganz unruhig.......eine halbe Stunde später halte ich es nicht mehr aus...rufe deine Schnecke ......wir fahren zu dir.........ein Parkplatz direkt vor dem Eingang?....Glück?....in dem Moment, als ich die Türe abschließe, kommt die Sonne raus.....ein gutes Zeichen?.......warum sind Krankenhausgänge eigentlich immer so endlos lang?......und der Aufzug.......warum kommt der denn nicht?....endlich stehen wir vor deiner Tür.......mit Herzklopfen und schweißnassen Händen öffne ich........du liegst in deinem Bett...du schläfst......Gott sei Dank.......deine Schnecke läuft zu dir......ich sehe mich um......du bist allein....die anderen beiden Betten leer....aber nicht gemacht.....als wenn sie gerade erst verlassen wurden....vor deinem Bett steht ein Paravent......er ist zusammengeschoben.......war er vorher noch auf?....


Deine Schnecke ruft......."Mama, der Papa will gar nicht wach werden“…ich gehe zu dir…du atmest.....die Morphiumdosis wurde schon wieder erhöht......da kommt eine Schwester......" Was ist los? .... gestern ging es ihm doch noch gut!“......"es geht ihm sehr schlecht.......es kann jetzt sehr schnell gehen."...." kann ich telefonieren?, meine Tochter soll nicht hierbleiben.".....ich rufe meine Eltern an.....in der Zeit macht die Schwester das Bett neben dir.....für mich....falls ich mich ausruhen möchte........mein Vater holt deine Schnecke.....sie gibt dir einen Kuss und sagt: "Tschüss Papa, bis später."......ich kann ihr nicht sagen, dass sie dich heute das letzte Mal sieht.......


Ich rufe deinen Sohn und deine Mutter an........bis sie kommen setzte ich mich an dein Bett...streichle dich...küsse dich ...flüstere dir ins Ohr:" Ich liebe dich." und du lächelst......mein Leben lang werde ich für dieses Lächeln dankbar sein......zeigt es mir doch, dass du mich hörst.....dass du wenn du reden könntest, sagen würdest: "Ich dich auch."......ich setze mich auf den Stuhl und halte deine Hand.......rede mit dir.......dein Sohn kommt mit Frau und Sohn......wir liegen uns in den Armen und weinen gemeinsam....immer wieder sagt er, dass du das nicht verdient hast.....dann kommt deine Mutter mit deiner Schwester und deren Mann......wir sitzen um dein Bett....weinen......


Nach 2 Stunden sind wir allein....sie sind abgehauen, die Feiglinge ....egal .....ich möchte sowieso mit dir alleine sein.....diese letzten Stunden gehören nur uns.......stündlich kommt eine Schwester und sieht nach uns.....fragt immer wieder ob ich was brauche......ich brauche nichts....nur dich......wieder sitze ich an deinem Bett......bete...."Vater unser...dein Wille geschehe....."....sage dir, dass du nicht länger kämpfen musst, wenn du keine Kraft mehr hast, dass ich dich gehen lasse....dabei würde ich dich am liebsten anschreien:" Kämpfe gefälligst....lass mich nicht alleine....ich brauche dich doch...!".........es ist schon dunkel.......dein Atem geht so schwer........ich kann nur da sitzen und deine Hand halten....dich streicheln.......Mitternacht...ich schiebe das Nachbarbett ganz nahe zu dir......sieht aus wie ein Doppelbett......ich lege mich rein....halte deine Hand und höre auf deinen Atem......die Atemaussetzer werden jetzt immer länger.......jedes Mal denke ich, dass es dein letzter war.....und bin jedes Mal froh, wenn du weiter atmest......


15.07.2012


5.30 Uhr...die Nachtschwester kommt, um sich zu verabschieden....sie wünscht uns alles Gute......du atmest jetzt ganz ruhig und gleichmäßig....da ist sie wieder diese kleine Hoffnung,...dass du es allen zeigst...dass du es schaffst...mich nicht alleine hier zurück lässt.


6.30 Uhr die Schwester vom Frühdienst stellt sich vor...ich solle jederzeit läuten, wenn ich irgendetwas brauche.......


7.30 Uhr das Frühstück wird ausgeteilt...ob ich irgendetwas möchte.....ich brauche nichts ...will nur hier sitzen und deine Hand halten......


8.00 Uhr die Wochenendärztin kommt...sieht nach dir.....fragt mich, ob sie etwas für mich tun könne....ich schüttle nur den Kopf.......


9.30 Uhr die Schwester kommt mit einer Lernschwester.....wollen dich umbetten...ob ich draußen warten will....nein will ich nicht....keinen Millimeter gehe ich von dir weg.......sie decken dich ab.....mir bleibt fast das Herz stehen.....deine Beine, sie sind ganz blau.....die Lernschwester geht und die andere Schwester, reibt dich mit einem Lappen ab...er muss sehr kalt sein....du stöhnst auf.....machst die Augen auf......wir sind wieder allein......deine Augen sind noch immer auf....diese Augen......die mich immer so liebevoll angesehen haben......sie sehen einfach durch mich hindurch.......ich setzte mich zu dir ...streichle dein Gesicht......sage dir: "Mach die Augen zu Schatz und schlaf, es ist gut"......tatsächlich machst du die Augen zu.....ich küsse dein Gesicht...deine Augen...streichle deine Brust...sage: "Es ist in Ordnung, alles ist gut"........du holst röchelnd Luft.......dann nichts mehr......ich sitze da und warte, dass du wieder Luft holst.....so wie in der Nacht zuvor........aber, du tust es nicht....ich lege meinen Kopf auf deine Brust.....nichts...nur Stille......ich setze mich auf den Stuhl......halte deine Hand.....läute der Schwester


" Was kann ich für Sie tun? " ......." mein Mann.....atmet er noch?"...sie geht an dein Bett...sieht dir ins Gesicht und sagt : " Ja....( für eine kleine Sekunde ist sie wieder da die Hoffnung, dass ich mich getäuscht habe, im gleichen Moment wird die Hoffnung zerstört, denn sie spricht weiter) er hat es geschafft"....


Ich breche über dir zusammen...die Welt hört sich auf zu drehen......ich fühle einen Schmerz, von dem ich nicht einmal wusste, dass es ihn gibt....dass man ihn überleben/aushalten kann......und ich denke "Nimm mich mit, ganz egal wohin, aber lass mich nicht alleine hier."......ich fühle eine Hand auf meiner Schulter.....die Erde dreht sich weiter....aber die Sonne ist verschwunden.....die Ärztin ist da.......sie sagt: "Er hat so sehr gekämpft...gönnen sie ihm seinen Frieden"........was ist mit mir?.....mit meinem Frieden?...wieder sind wir allein...ich sitze da und halte deine Hand.....diese starke Hand......jetzt so schwach...so dünn.....ganz bleich......ich sehe in dein Gesicht...es ist ganz grau.....eingefallen.....aber dein Ausdruck....so friedlich....befreit von allen Schmerzen........ich nehme dir deine Kette ab...streife dir deinen Ehering vom Finger......ziehe ihn über die Kette...lege sie mir um den Hals.......


Ich stehe auf......mache dir ein Kreuzzeichen auf der Stirn.....gebe dir einen letzten Kuss...an der Tür drehe ich mich noch einmal um......dann trifft es mich mit voller Wucht......dieses NIE WIEDER....


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Wie habe ich die letzten Stunden vor ihrem Heimgang empfunden. Es war einfach das schlimmste, was ich je erlebt habe. Der letzte Tag mit ihr war mit einer Verbesserung ihrer Werte verbunden. Aber ich wusste ja, dass es sich nur um eine kurze Zeitspanne der Besserung handelt. Ihr Körper hatte sich regelrecht überhitzt. Sie musste 5-mal das Nachtzeug wechseln. Da kein anderes mehr da war, musste ich schnell nach Hause fahren, um ihr frisches zu holen. Als ich wieder zurückkam, war sie froh, sich in ein neues Nachtzeug begeben zu können. Das Ganze über den ganzen Tag hin hatte sie hauptsächlich mit Schlaf verbracht. Sie forderte mich auf, nach diesem langen Tag doch nach Hause zu gehen. Wir verabschiedeten uns zum letzten Mal. Bis zum Morgen.


Um 5:30 ging mein Telefon, ihr Arzt, sie war eingeschlafen, ohne wach geworden zu sein. Als ich zu ihr kam war ihr Körper noch warm. Sie lag da, als würde sie schlafen. Dann kam das Entsetzliche, ich spürte nach einer Zeit, wie das Blut in ihren Armen gefror. Obwohl ich Jahre im Krankenhaus gearbeitet hatte, habe ich so etwas noch nie verspürt. Diese letzte Zeit mit ihr am Krankenbett werde ich wohl nie vergessen.

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Heute genau vor einem Jahr ist es passiert….


Ich bekam einen Anruf vom behandelnden Arzt, ob ich kommen könnte. Wir müssten miteinander sprechen. Ich wusste sofort, was das zu bedeuten hatte. Ich rief unseren besten Freund an, ob er mit mir fahren könnte.


Es war gerade die schlimme Corona Zeit und man kam nicht so einfach ins Krankenhaus rein. Ich musste dem Sicherheitsmann die Lage erklären. Wir durften bis zur Rezeption. Erneut musste ich alles schildern. Wir durften nach einer telefonischen Rücksprache zur Intensivstation. Wir eilten hin. Vor der Tür erneut klingeln und sich erklären. Mein Herz wurde immer schwerer. Die Tür ging auf und wir eilten weiter an mehreren Intensivstationen vorbei bis wir endlich ankamen.


Der Arzt kam und ging mit uns in das Zimmer rein. Es war ein Einzelzimmer. Vorher lag Roland mit drei anderen Kranken zusammen. Es war ständig laut und unruhig. Irgendwas piepte immer und alarmierte und sogar ein Toter lag mal noch da, bevor er abgeholt wurde. All das musste mein Schatz ertragen. Drei Wochen lang! Ich bin fast jeden Tag dort gewesen. Wenn eins unserer Kinder ihn besucht hat, durfte ich nicht hin. Eine Stunde Fahrt, eine Stunde Anstehen vor dem Krankenhaus, anmelden und dann losrennen. Denn ab dem Betreten des Hauses hat man nur 45 Minuten Besuchszeit gehabt. Jede Minute war kostbar. Am Ende durfte nur eine Besuchsperson sich im Zimmer aufhalten. Wenn ein anderer Besuch kam, musste ich gehen oder warten, bis ich wieder reindurfte. Einmal war ich nur 10 Minuten bei ihm. Diese verdammte Corona Zeit! Man durfte auch seinen Mundschutz nicht abnehmen. Ich tat es trotzdem kurz für einen Kuss. Streicheln mit Handschuhen....


Und jetzt war er endlich alleine. Aber der Anblick war schrecklich. Da lag er so kraftlos und grau, beatmet in diesem friedlichen, ruhigen Zimmer. Dieser sonst so kräftige Mann war nur noch eine Hülle. Nein, das hat er nicht verdient. Ich weiß nicht mehr so genau was der Arzt gesagt hat und ob wir vor der Tür schon gesprochen haben. Ich sagte nur, dass wir diesem Elend ein Ende geben. Die ganze Zeit bat ich Roland, für sich, für uns, für die Kinder zu kämpfen. Jetzt flüsterte ich ihm ins Ohr, dass es in Ordnung wäre zu gehen, wenn er es wolle. Ich sagte ihm noch wie sehr ich ihn lieben würde. Wir durften uns verabschieden in aller Ruhe. Eigentlich war er schon vom Pflegepersonal darauf vorbereitet worden. Er roch frisch gewaschen, war rasiert, roch nach Rasierwasser und hat sein kleines Porzellanglücksschwein in der Hand gehalten, welches unsere Tochter ihm geschenkt hatte. Wir warteten vor dem Zimmer als er extubiert worden ist, der zentrale Zugang entfernt wurde. Er bekam noch Morphium gespritzt. Der Monitor war für uns ausgeschaltet worden. Mein Freund rief die Kinder an. Sie wollten beide noch kommen.


Als wir ins Zimmer wieder reindurften, saßen wir beide am Bett und streichelten und küssten ihn. Ich streichelte seine Brust, seinen Arm, sein Gesicht, seine Härchen. Und dann ging es ganz schnell. Nur 10 Minuten später hat er ganz friedlich aufgehört zu atmen. Einfach so, ohne großen Kampf. Sein Leben hing, glaube ich, an einem ganz hauchdünnen Faden. Wir weinten. Die Kinder wollten doch dann nicht mehr kommen. Sie konnten einfach vor Schmerz nicht kommen. Haben nicht die Kraft dazu gehabt. Man gab uns alle Zeit der Welt für den Abschied. Er lag so friedlich in dem Bett. Ich hielt seine Hand bis sie kalt und blass war. Nach zwei Stunden hielt ich die Kälte nicht mehr aus und wir verabschiedeten uns endgültig voneinander. Ich nahm das Schweinchen, das ich später meiner Tochter zurückgab und sie hat es heute in allen Ehren neben dem Hochzeitsfoto, wo ihr Papa sie zum Altar führt, stehen.

Ich werde diesen Anblick vor Augen nie vergessen.


Ja, bis der Tod uns scheidet. Das hatten wir uns vor 29,5 Jahren vor dem Altar geschworen. Es schmerzt so sehr….

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Am 21.11.22 konnte ich meinen Reiner nach 2 Wochen Krankenhaus nach Hause holen. Leider konnte er nicht mehr sprechen und war durch die Medikamente auch nicht wirklich klar. Ich hatte Unterstützung durch den Intensiv- und Palliativ-Pflegedienst. Am 29.11.22 ist er dann nachts ganz ruhig und friedlich von mir gegangen. Diese Woche mit ihm war sehr intensiv und ich bin bei allem Schmerz unendlich dankbar, dass er zu Hause bei mir sterben durfte. Ich konnte dann die ganze Nacht bei ihm sitzen und Abschied nehmen. Diese Nacht war trotz allem unglaublich friedlich und hat mir jede Angst vor meinem Tod genommen. Im Gegenteil, ich freue mich darauf und bin überzeugt, dass mein Schatz dann wieder bei mir ist. ___________



Mein Abschied von meiner Mama war 2 Tage vor ihrem Weggang, am 18.10.2016. Sie wollte immer, dass mein Bruder und mein Sohn und ich uns abwechseln (sie hat bis zum Schluss versucht, uns zu schützen). An diesem Dienstag waren mein Sohn und ich bei ihr, wir haben geredet und eine Kleinigkeit gegessen und sie war relativ gut drauf. Abends, kurz bevor wir gegangen sind, habe ich ihr noch den Fernseher angemacht, weil ihre Lieblingsserie lief. Zum Abschied haben wir uns immer in den Arm genommen und uns gesagt, dass wir uns lieb haben. Dieses Mal wollte sie mich gar nicht loslassen, was ich zu dem Zeitpunkt zum Glück nicht realisiert habe. Ich war sowieso immer nah am Wasser gebaut und wollte nicht weinen. Ich gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn und kurz bevor ich die Tür geschlossen habe, lag sie im Bett und war wieder eingeschlafen.


Am nächsten Tag war mein Bruder bei ihr, er rief abends an, wie gut sie drauf war. Ich habe den ganzen Tag geweint, als wüsste ich was kommt.


Am nächsten Tag wollte ich nach der Arbeit hin, um 12:30 Uhr rief die Palliativstation an, wir sollten kommen. Normalerweise brauchen wir 20 Minuten, dieses Mal 45 Minuten!! Wir kamen an und die Schwester kam uns entgegen mit den Worten: Sie hat es geschafft.


Mit einem Lächeln ist sie eingeschlafen und sie sähe sehr friedlich aus. Keiner verstand, dass wir nicht zu ihr wollten. Und hier muss ich lächeln, meine Mutter konnte die Leute nicht verstehen, die am offenen Sarg stehen (sie musste damals ihren Opa sehen, das war sehr schlimm für sie). Wir wussten also immer, dass sie alleine geht. Sie hatte Angst in der Nacht zu sterben, das passierte nicht und sie war nicht alleine, die Schwester war die ganze Zeit bei ihr. Ich glaube nicht an Zufälle, das hat sie genau geplant. Selbst der Arzt sagte zu mir, dass keiner damit gerechnet hatte, dass sie schon gehen muss.

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Hallo ihr Lieben, die so viel Schmerz in ihren Seelen tragen. Auch ich habe unendliches Leid erfahren, als mein Sohn von uns gegangen ist. Von da an hat sich mein Leben verändert. Depression und Liebeskummer haben ihn von mir gerissen. Erbarmungslos und mit voller Kraft zugeschlagen, ein Gefühl der Angst und Hilflosigkeit hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Schuldgefühle und der Schrei nach meinem Kind bestimmen immer noch meinen Tagesablauf. Ich liebe mein Kind, er wohnt in meinem Herzen, bei all den Lieben, die von mir gegangen sind. Eine liebe Hand legt das Band der Liebe um uns.


Euch allen viel Kraft und lebenswerte Momente, die auch euch etwas Glück zurückbringen. Mama mit Timo im Herzen.

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Da Papas Tod ganz plötzlich und unerwartet kam, gab es keine Möglichkeit ihn auf diesem Weg irgendwie zu begleiten oder sich von ihm kurz vor dem bevorstehenden Tod zu verabschieden. Was mich daran besonders grollt ist, dass ich ihn am Morgen, als er noch lebendig war und sich auf den Weg zur Arbeit machte, nicht umarmt hatte.


Ich wünschte, es hätte irgendwelche "letzten Worte" fern von unserem Streit gegeben.

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Bei Dorits Tod war ich dabei, zumindest als sie mit Herzversagen zusammengebrochen war auf dem Gehweg. Als sie im künstlichen Koma verstorben war, konnte ich nicht bei ihr sein.


Mein Vater ist ohne mein Beisein im Pflegeheimzimmer ganz allein verstorben, nicht einmal eine Schwester war bei ihm. Ich habe meinen Vater erst nach meiner Anfahrt zum Pflegeheim tot in seinem Zimmer aufgefunden.


Also war ich bei beiden Angehörigen beim letzten Atemzug nicht dabei. Ebenso damals auch nicht bei meiner Mutter, als sie vor über 24 Jahren an der Dialyse verstarb.

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Bei meinem Opa sind Regina und ich von der Feier müde schlafen gegangen. Am nächsten Morgen war es bereits vorbei und Opa Gusti tot. Der ganzen Familie hat es sehr geholfen, dass Opa nochmal (fast) alle gesehen hat.


Bei Regina war ich nicht dabei. Meine Mutter war aber bei ihr.

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Als ich freitags Reiner im Krankenhaus besuchte, kam mir auf dem Flur seine Ärztin entgegen und meinte, sie möchte mit mir sprechen. Ich dachte es geht darum, dass ich ihn jetzt mit nach Hause nehmen darf, damit er dort sterben kann. Das war so geplant. Stattdessen sagte sie mir, dass Reiner zu schwach sei für den Transport und es zu Hause wohl nicht so gut möglich sei, ihn ausreichend mit Schmerzmitteln zu versorgen. Deshalb würde sie ihn lieber hierbehalten und wir müssten damit rechnen, dass er das Wochenende nicht übersteht. Da habe ich dann kurz meine mühsam erhaltene Fassung verloren. Sie nahm mich in den Arm und entschuldigte sich dafür, dass sie mir das sagen musste.


Als ich mich wieder gefangen hatte, ging ich zu ihm. Er hatte starke Schmerzen, denn er hatte Metastasen im Bauchfell. Deshalb bekam er Morphin über einen Perfusor. Dadurch war er aber sehr müde und etwas verwirrt. Ich blieb eine Zeit lang bei ihm und musste dann heim zu unseren Kindern. Ich musste ihnen sagen, dass ihr geliebter Papa übers Wochenende sterben wird. Es war so furchtbar. Ich werde nie die Angst und die Traurigkeit in ihren Augen vergessen und das, was sie gesagt haben. Nach dem Abendessen, bei dem kaum etwas gegessen wurde, rief ich in der Station an und fragte wie es Reiner geht. Es hieß, er wäre gerade etwas verwirrt gewesen, aber jetzt sei es wieder gut. Ich ließ ihn fragen, ob ich wieder kommen soll. Die Antwort war ja. Ich erklärte den Jungs, dass ich wieder zu ihm fahre, weil ich es ihm versprochen hatte, ihn am Ende nicht allein zu lassen. Gleichzeitig wollte ich bei ihnen bleiben und sie trösten. Diesen Zwiespalt musste ich schon viel zu lange ertragen. Unseren Ältesten, der schon eine eigene Wohnung hatte, konnte ich nicht erreichen.


Im Krankenhaus war Reiner froh, dass ich wieder da war. Irgendwann nach 21 Uhr erreichte ich endlich unseren ältesten Sohn und um ca. 22 Uhr war er da. Die beiden konnten sich aussprechen und das war gut so, denn am nächsten Tag war Reiner nicht mehr ansprechbar. Es hat sich über das ganze Wochenende gezogen und es waren immer wieder die Jungs, seine und meine Eltern und unsere besten Freunde da. In der ersten Nacht hatte die Nachtschwester ein Bett für mich ins Zimmer gebracht. Dafür bin ich ihr heute noch dankbar. So konnten wir uns mit einem langen intensiven Blick voneinander verabschieden und in einem unerwarteten Moment bekam ich nochmal einen Kuss. Seine Atmung wurde immer schwerer, doch er hat so gekämpft. Montag morgens hielt ich es nicht mehr aus. Er hat sich so gequält. Da sagte ich ihm, dass er ins Licht gehen soll, wenn er es sieht. Ich habe ihm versprochen, dass wir es schaffen werden.


Mittags kurz nach 13 Uhr ist er eingeschlafen im Beisein von seinen Eltern, seinen besten Freunden und mir. Eine Minute später waren unsere beiden jüngeren da. Der älteste war beim Kieferchirurgen. Er kam direkt danach. Da standen wir nun, ohne Mann, ohne Papa ... Es tat so weh...


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Meine beiden Großväter sind ganz alleine im Pflegeheim gestorben. Meine eine Oma zu Hause nachts im Schlaf. Bei der anderen waren meine Mutter und mein Bruder bei ihr.


Unsere liebe Freundin L. war vom Krankenhaus ins Hospiz verlegt worden. Ihre Krebserkrankung hatte sie innerhalb nur weniger Monate überwältigt. An dem Abend ihres Umzugs war ich noch bei ihr, um ihr etwas vorbeizubringen (ich weiß nicht mehr was) und zum Glück habe ich der diensthabenden Schwester noch meine Handynummer gegeben, damit sie mich anrufen kann, wenn es zu Ende geht. Am nächsten Morgen um 05:30 kam der Anruf, wir sind sofort los. Dann haben wir ihr zwei Stunden die Hand gehalten, bis sie aufgehört hat zu atmen. Es war schrecklich, aber ich bin dankbar, ihr diesen letzten Dienst erwiesen zu haben. Gemerkt hat sie es vermutlich nicht mehr, da sie unter extrem starken Schmerzmitteln stand. Ich hoffe, es geht ihr gut da auf der anderen Seite...

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Ich war bei meinen Eltern dabei... vor ca. 7 Jahren bei meinem Vater - vor nun genau zwei Jahren bei meiner Mutter.


Ich bin dankbar, dass ich dabei sein durfte, allerdings lernt man in diesem Moment tatsächlich, wie die Stille selbst still wird … Ich glaube man selbst gerät wie in einen Schockzustand in diesem Moment … ich empfand es nicht als friedlich, als Erlösung und es begleitet einen auf ewig... und trotz alledem... ich bin dankbar, dass ich sie auf diesem Weg begleiten durfte. ___________



Mein Sohn stürzte mit dem Flugzeug ab. An eine Verabschiedung war nicht zu denken. Es war nicht vorgesehen, dass Jens von uns geht. Er war noch zu jung und gesund. Von Lebensmüdigkeit keine Spur.


Es kamen nur wenige Überreste von ihm zurück, sodass uns nicht ermöglicht wurde, ihn im Sarg noch einmal zu sehen. So konnten wir auch auf diese Weise keinen Abschied nehmen. ___________



Mein Bericht kommt etwas verspätet, tut mir leid. Bei meinem Onkel war es plötzlich. Er starb alleine in seiner Wohnung und wurde dort dann auch aufgefunden. Ich kam eine ganze Weile damit gar nicht klar. War der erste Todesfall in meinem Leben.


Meine Oma im Sterben zu begleiten war etwas schwierig, ich wohnte zu weit weg. Aber ich habe sie ein letztes Mal gesehen, bevor sie starb und instinktiv wusste ich, dass es das letzte Mal war. Sie hatte Demenz im fortgeschrittenen Stadium und hatte bei unserem Treffen mit mir noch mal einen Lichtblick und erkannte mich. Darüber freute ich mich sehr. Manchmal träume ich noch von ihr. Obwohl es nun schon wieder 13 Jahre her sind.


Und bei meiner besten Freundin war es plötzlich. Sie nahm sich ihr Leben. Sie vermisse ich am meisten. Sie war viel zu jung. Aber auch mit diesem Verlust habe ich einen Umgang, denke ich, gefunden.


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Mein Schwiegervater starb in meinem Beisein. Er hatte Krebs und es ging elend mit ihm zu Ende. Wir lebten im gleichen Haushalt und ich hatte Angst, von Arbeit nach Hause zu fahren, immer solche Angst, er könnte in der Zeit gestorben sein. Früh schaute ich immer nach ihm, seine Frau pflegte ihn aufopferungsvoll zu Hause, obwohl er sich durch die Krankheit und die Medikamente immer mehr veränderte. Waren unsere Kinder mit da, ging es, als würde er sich "zusammenreißen" wollen, obwohl es ihm so schlecht ging. Und so kommt es, dass dankbarerweise ihre letzte Erinnerung an ihn ist, wie er ihnen einen Luftkuss zuwarf und ihnen gute Nacht wünschte und sie sich sagten, dass sie sich lieb hätten.


Die Kinder waren bei meinen Eltern, als er für immer einschlief. Es war früh am Morgen, wir waren zum Helfen runtergerufen worden, meine Schwiegermutter konnte ihn nicht mehr allein ins Bett zurücklegen. Wir sprachen mit ihm, er wollte eine Tablette und trank einen Schluck Wasser. Man hatte uns schon gesagt, dass er nicht mehr lange haben würde, aber dass er etwas trank und dies selbst wollte, gab mir sogar nochmal kurzzeitig Hoffnung. Meine Schwiegermama ging kurz ins Bad, mein Mann und ich blieben bei meinem Schwiegerpapa. Wir hielten seine Hand, streichelten ihn und plötzlich atmete er sehr tief, ein paar Mal.…und dann hörte man nichts mehr. Mein Mann meinte, dass ich schnell seine Mama holen solle, dies tat ich auch. Wir waren sofort wieder da und mein Mann meinte nur: "Ich glaube, er geht gleich. Seine Atemzüge kommen nicht mehr unten an." Und so saßen wir da, meine Schwiegermama und ich hielten jeweils eine Hand, mein Mann hielt Kontakt, indem er eine Hand auf den Kopf und die andere auf das Herz meines Schwiegerpapas legte. Wir sagten ihm, dass alles gut werden würde, es keinen Streit zwischen den Geschwistern geben werde, dass wir für seine Frau da sein werden, er müsse sich keine Sorgen machen und dann... war er nicht mehr da. Mein Mann stellte fest, dass der Puls weg war. Einfach weg. Wie einschlafen, nur für immer...ohne Rückkehr.


Ich vermisse ihn so sehr. Meine Kinder vermissen ihren Opa, mein Mann seinen Papa und ich möchte nur einmal noch seine Stimme hören... ___________



Am 30.12.23 jährte sich der dritte Todestag meines Sohnes.


Nicht nur an diesem Tag, sondern an jedem Tag seit seinem Weggehen denke ich daran, wie er in meinen Armen verstarb...

Wir konnten uns verabschieden, aber das macht es letztlich auch nicht besser.


Zu sehen, wie der über alles geliebte Sohn psychisch und physisch buchstäblich verwelkt, immer weniger wird, bis fast nichts mehr übrigbleibt, ist unermesslich schmerzlich. Er ging einen Weg, auf dem ich ihn nicht begleiten konnte, denn der Tod hat mich noch nicht gerufen.


Zurückzubleiben, allein mit diesem Verlust, mit diesem Schmerz und den jeden Tag zurückkehrenden Erinnerungen an seinen letzten Atemzug macht mich wahnsinnig.


Ihn zu halten, ihm zu sagen, wie sehr ich ihn liebe und dass alles gut sei, ohne zu wissen, ob er mich überhaupt hören kann, aber zu wissen, dass er jetzt nie mehr bei mir sein würde, brach mir das Herz und es wird nie mehr heilen.


Ich habe ihn gewaschen, angekleidet und erneut gebettet, dann kamen die Bestatter und haben ihn mir weggenommen, zumindest habe ich es so empfunden.


Ich lebe mittlerweile fast völlig isoliert, ich kann keine Menschen mehr ertragen.

Ich verkrafte es wohl nicht und werde es auch nie verwinden, diesen letzten Tag im Leben meines Sohnes.

Die Bilder kommen immer wieder, die Empfindungen sind noch genauso wie am letzten Tag, aber wer will das schon hören?

Also bleibe ich lieber alleine und denke an ihn, meinen Sonnenschein, mein Leben.

Ich bin nicht ich ohne ihn, ich denke, ich war erst durch ihn komplett.


Der letzte Tag, der letzte Atemzug, die letzte Umarmung...ich halte ihn im Geiste noch immer ganz fest. ___________



Mein Mann hatte Krebs. Es ging ihm schlechter, aber die Ärzte entließen ihn aus dem Krankenhaus und sagten ihm, er soll sich 3 Wochen erholen und dann hätten sie eine neue passendere Therapie. Wir bräuchten uns keine Sorgen zu machen. Doch nach 4 Tagen ging es ihm wieder schlechter. Nochmal eine Woche Untersuchungen, dann hieß es, sie können nichts mehr machen. Da war er bereits so verwirrt, dass er unsere Tochter nicht mehr erkannt hat.


Gerne hätte ich ihm die Möglichkeit gegeben, zu Hause zu sterben. Aber ich konnte ihn nicht pflegen, da ich in der 35. Woche schwanger war. Er hatte heftige epileptische Anfälle und ich musste unterschreiben, dass sie ihm so viel Medikamente geben können, dass ein akuter Anfall aufhört, auch wenn er dann an einer Überdosis stirbt. Jeden Tag hat er weiter abgebaut und auch mich nicht mehr erkannt. Wie gerne hätte ich nochmal mit ihm gesprochen. Ich habe mir alles vom Herzen geredet, aber er hat nicht mehr geantwortet. Tagsüber war ich bei ihm, aber abends wollte ich unsere 1,5 Jahre alte Tochter ins Bett bringen und bei ihr sein.


So ist er eine Woche später nachts alleine im Krankenhaus gestorben. Wie gerne hätte ich um ihn geweint, aber ich konnte nicht, da ich heftige Wehen bekam und nicht bereit war, in dieser Situation ein Kind zu bekommen. Drei Wochen später kam dann unser Sohn zur Welt. Er war kräftig, aber nach 24 Stunden stellte sich raus, dass er eine Fehlbildung hat, mit der er nicht lebensfähig ist. Sie wollten es operieren, mussten aber erst feststellen, ob er weitere Fehlbildungen hat. Genau wie mein Mann baute er jeden Tag mehr ab. Und genau wie bei ihm spürte ich, dass unser Sohn nur noch 2-3 Tage zu leben hat. Bei meinem Mann ist mein Gefühl genauso eingetreten.


Unser Sohn konnte durch die OP gerettet werden. Mich verfolgt es bis heute noch sehr, zwei der wichtigsten Menschen in meinem Leben diesen Weg gehen zu sehen und das innerhalb von nur vier Wochen. Auch wenn es letztendlich unterschiedlich ausgegangen ist.

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