Weihnachten, das Fest der Liebe – ohne Dich

Weihnachten, das Fest der Liebe – ohne Dich

Und wieder naht es, das Fest der Liebe, der Familie und der Freude. Von vielen Menschen wird es sehnlichst erwartet, aber auch von vielen gefürchtet. Die Straßen und Plätze sind mit weihnachtlichen Lichterketten geschmückt. Vor den Rathäusern oder Kirchen stehen riesige Tannenbäume mit strahlenden Lichtern geschmückt. In den Fenstern kann man die weihnachtliche Dekoration sehen. Die vielen Lichter erhellen die früh einsetzende Dunkelheit. Und damit wird uns auch bewusst, das Jahr geht seinem Ende entgegen.

Was bedeutet Weihnachten eigentlich für uns? Für Menschen mit christlichem Glauben wird die Geburt Jesu gefeiert. Sie singen und beten gemeinsam beim feierlichen Weihnachtsgottesdienst und verbringen diese Tage natürlich genau wie alle anderen im Kreis der Familie. Als ich ein Kind war, bin ich mit meiner Mutter und meiner Oma immer an Heiligabend um 16 Uhr zur Christmette gegangen. Auch wenn ich von klein auf nie gläubig war, war dies doch sehr schön und feierlich. Als letztes Lied wurde immer „Oh du fröhliche“ gesungen. Da habe ich so etwas wie Glück gespürt. Auf dem Nachhauseweg, und tatsächlich schneite es manchmal, sahen wir überall die Lichter der Weihnachtsbäume durch die Vorhänge der Fenster schimmern. Es war für mich eine ganz besondere Zeit.

Für die Menschen ohne diesen Glauben bedeutet es, dass die Familie zusammenkommt, dass gut gegessen wird und dass man sich gegenseitig beschenkt. Die Wohnung wird geschmückt, es werden Plätzchen gebacken und das weihnachtliche Menü wird geplant. In den verschiedenen Regionen des Landes gibt es spezielle traditionelle Weihnachtsessen, die zubereitet werden. Oft treffen sich Familienangehörige, die sich das ganze Jahr nicht gesehen haben. Und viele freuen sich, dass sie endlich ein paar freie Tage haben.

In der Adventszeit sind die Straßen voll, die Geschäfte sind voll. Die Menschen laufen geschäftig durch die Fußgängerzonen mit Tüten voller Überraschungen. Die großen Weihnachtsmärkte ziehen viele Besucher an. Menschenmengen schieben sich an den Ständen entlang, überall ertönt Weihnachtsmusik und der Duft von gebratenem und geröstetem zieht über den Markt. Die Reiseunternehmen bieten Busfahrten zu den schönsten Weihnachtsmärkten an. Die Restaurants sind ausgebucht, da Firmen, Betriebe und Behörden ein Weihnachtsessen im Kollegenkreis gebucht haben.

Natürlich ist es auch nicht nur Freude und Besinnlichkeit. Von manch einem wird die Zeit auch als hektisch und mit viel Stress verbunden gesehen. Überall drängen sich Menschen, die Läden sind übervoll und es gibt keine Parkplätze mehr, was an jedem Wochenende schlimmer wird. Und manch einer sagt, „Ach wenn Weihnachten doch nur schon vorbei wäre und im nächsten Jahr kaufe ich die Geschenke schon im September“. Was natürlich wie jedes Jahr in Vergessenheit geraten wird.

Aber in vielen Familien wird das Weihnachtsfest in Ruhe und gutem Einvernehmen gefeiert. Dort ist man froh, bei Kerzenlicht zusammen zu sitzen, gemeinsam hat man die Wohnung geschmückt, ist über den Weihnachtsmarkt geschlendert und genießt diese Zeit. Man bäckt gemeinsam Plätzchen und ist glücklich, Zeit füreinander zu haben. Schöne Erinnerungen sind damit verbunden und werden für immer festgehalten.

Und dann verlässt uns ein geliebter Mensch, der wichtigste Mensch mit dem wir unser Leben teilten, egal auf welche Art. Sei es der Partner oder die Partnerin, ein Kind, ein Elternteil, Bruder oder Schwester, ein Mensch, zu dem wir einen engen Kontakt hatten, dem unser Herz gehört.

Das sonst so geliebte Weihnachtsfest fällt in sich zusammen und wird bedeutungslos, die Vorfreude, das Weihnachtshopping, die saubere und geschmückte Wohnung, die Essensvorbereitung - nichts davon ist mehr wichtig. Vielmehr erfüllt uns Furcht vor diesem Fest, welches wir nun ohne den Herzensmenschen verbringen müssen. Allein unter dem Weihnachtsbaum zu sitzen mit Erinnerungen an die schönen Festtage im vergangenen Jahr erscheint uns unerträglich.

Die Lichter verlieren ihren Glanz und die Weihnachtslieder wollen wir nicht hören. Der Weihnachtsschmuck bleibt im Schrank verstaut, denn zu sehr erinnert er uns an die schönen gemeinsamen Feiertage. Die vielen Menschen in der Stadt, das bunte Treiben auf dem Weihnachtsmarkt erscheinen uns so fremd, so als gehörten wir dieser Welt nicht mehr an.

Ich kenne eine Frau, deren Mann vor 10 Jahren starb und einer ihrer Söhne erst vor wenigen Jahren. Wenn am ersten Feiertag die restliche Familie zu Besuch kommt, so ist es immer mit Trauer für sie verbunden, dass ihr Sohn nicht wie seit 20 Jahren als erster zur Tür hereinkommt und sie in den Arm nimmt. In diesem Jahr hat sie es verändert und verbringt die Tage bei ihrem anderen Sohn. Dort erinnert sie nichts daran. Weihnachten wird für sie nie mehr so sein, wie es in der Zeit war, als die ganze Familie noch am gedeckten Festtagstisch zusammensaß.

Jeder Trauernde geht anders damit um, der eine stellt Kerzen und Weihnachtsdeko zur Erinnerung auf und gedenkt seines liebsten Menschen, der andere bemüht sich, dieses Fest einfach vorübergehen zu lassen und es möglichst wenig zu bemerken. Er meidet die Weihnachtsmärkte, die Musik und alles was dazu gehört. Der nächste ist bei guten Freuden eingeladen und froh daher, diese Tage nicht alleine verbringen zu müssen. Für manch einen ist es zum Ritual geworden, auf den Friedhof zu gehen und das Grab seines Liebsten weihnachtlich zu schmücken.

Für Menschen, die zur Arbeit gehen, ist es auch immer sehr schwer, die Gespräche der Kollegen über Vorbereitungen, Geschenke und Besuche anzuhören. Im letzten Jahr hat man noch ausführlich erzählt, womit man diesmal den Partner überraschen wird.

Doch in diesem Jahr kann man nur noch Blumen auf sein Grab stellen.

Für meine Mutter war Weihnachten ein wichtiges Fest. Sie hat diese Tradition sehr gepflegt. Zur Bescherung spielte sie immer auf dem Klavier „Ihr Kinderlein kommet“. Jeder hatte unter dem Baum seinen Platz, wo die Geschenke für ihn lagen. Es waren Überraschungen, von denen man vorher nichts wusste. Bis zu ihrem Lebensende besuchte sie die Christmette, das Weihnachtssingen und das Weihnachtsoratorium. Es gab selbstgebackene Plätzchen und Stollen bei ihr. Alles lief nach einem genauen Zeitplan ab und war sehr feierlich. Alle Verwandten, die weiter weg lebten, wurden an den Feiertagen angerufen. Ich sagte manchmal, dass ich keine Lust hätte mit Onkel und Tante zu sprechen.

Heute lebt davon niemand mehr. Die ganze Generation, der meine Mutter angehörte, lebt nicht mehr. Ich kann niemanden davon mehr anrufen, daran hatte ich damals überhaupt nicht gedacht. Und wie gerne täte ich es heute.

Als wir dann das erste Mal ohne meine Mutter zusammensaßen, haben wir gespürt, Weihnachten ist nicht mehr das, was es für uns war mit ihr als Mittelpunkt und wird es auch nie mehr sein.

Im letzten Jahr kam für mich das erste Weihnachtsfest ohne den Partner, es war ja nicht lange nach seinem Tod. Ich habe dieses Weihnachten überhaupt nicht richtig wahrgenommen. Gefangen in einem dunklen Nebel aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit ist alles einfach an mir vorbeigegangen. Noch schlimmer empfand ich den Jahreswechsel, denn es begann ein Jahr, in welchem er überhaupt nicht mehr da sein würde. Er war kein Mensch, der solche Traditionen hochhielt und in die Kirche wäre er auch nie gegangen. Aber gemütlich in einer geschmückten Wohnung bei gutem Essen zu sitzen, liebte er auch. Ich sehe ihn vor mir, wie er mit Hingabe die Weihnachtsgans zubereitete. Und ein guter Stollen durfte auch nicht fehlen. Jetzt vor dem zweiten Weihnachten ohne ihn, denke ich jeden Tag daran und bin unendlich traurig, dass wir das nie mehr gemeinsam erleben werden. Auch mir bleibt nur, ihn an seiner letzten Ruhestätte zu besuchen.

Die schönen Festtage, als man ein Kind war, als Weihnachten wie ein Märchen erschien und es soooo lange dauerte bis es soweit war, sind leider vorbei. Inzwischen hat die Seele einige Wunden und die Freude ist bei vielen Menschen nicht mehr ungetrübt.

Aber es gibt auch noch andere Menschen, die zu Weihnachten alleine sind, die keine Angehörigen haben und diese Tage einsam verbringen müssen. Es müsste in allen Städten einen Treffpunkt für einsame Menschen geben, wo sie an Weihnachten zusammenkommen könnten, gemeinsam essen und reden. Vielleicht auch von anderen alleinstehenden Menschen betreut, so dass es für niemand notwendig wäre, die Familie alleine zu Hause zu lassen. Das sind so meine Vorstellungen und sicher gibt es da auch schon einige Angebote.

Ich denke an die Trauernden und an die Einsamen, für die das Weihnachtsfest eher eine schwere Zeit sein wird. Auch wenn man als Alleinstehender gut im Alltag zurechtkommt, kann man sich zu Weihnachten doch besonders einsam fühlen. Viele Familien möchten an den Feiertagen unter sich sein. Es gibt natürlich auch Familien, die mit Freunden feiern und wo die Singles dazu eingeladen sind. Aber nicht jeder hat das Glück, solch einen Freundeskreis zu haben. In vielen Städten bieten kirchliche Einrichtungen eine Weihnachtsfeier an Heiligabend an. Oft endet diese aber am Nachmittag, so dass man den Abend doch alleine verbringen muss. Auch das Internet ermöglicht eine Vernetzung von einsamen Menschen. Das war vor einigen Jahren noch gar nicht möglich. Laut Studien und Umfragen gibt es doch einen recht hohen Prozentsatz an Menschen, die Weihnachten einsam sind, trauern und sich deprimiert fühlen im Angesicht der vielen glücklichen Familien.

Wenn man frisch trauert hat man natürlich nicht unbedingt das Bedürfnis in Gesellschaft zu sein. Oft lässt es den Verlust noch deutlicher werden und man mag auch nicht den ganzen Abend die Tränen zurückhalten und Small Talk betreiben. Man möchte lieber allein sein und um den liebsten Menschen weinen und an ihn denken. Aber jeder Mensch ist anders, trauert anders und hat andere Bedürfnisse.

Ich wünsche allen Trauernden, dass sie liebe Menschen an ihrer Seite haben, die sie in ihrer Trauer so nehmen wie sie sind und das verstehen. Oder, dass sie zum Beispiel in Trauerforen Gleichgesinnte finden, mit denen sie chatten, schreiben oder sich treffen können und sich in der Weihnachtszeit nicht so einsam fühlen müssen. Ich wünsche allen einsamen Menschen, dass sie einen Ort finden, wo sie willkommen sind und die Tage nicht allein verbringen müssen.

Auch denen, die alleine bleiben wollen, wünsche ich eine besinnliche Zeit mit den Liebsten im Herzen.

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