Es holt mich jeden Tag ein

  • Hallo...
    Ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin und ich handle mit diesem Beitrag auch gegen meine "Überzeugung", aber ich denke, es ist langsam an der Zeit, dass ich mir einiges Mal von der Seele rede. Für meine Geschichte muss ich ein wenig ausholen.


    Ich bin 25 Jahre alt und so manches Mal denke ich, dass es mir das Leben einfach nicht leicht machen kann/will. Ich hatte als ich noch ein kleines Kind war, sehr viele Probleme mit meiner Mutter und meine Großeltern, sowie meine Tante, waren immer mein Rückhalt. Zu Ihnen konnte ich gehen, mich ausweinen und Sie wussten um das gesamte Ausmaß meiner Situation. Sie standen für mich ein, haben mich verteidigt, jederzeit, ohne wenn und aber. Ich erinnere mich noch, als sei es gestern gewesen ... Es war der 12.03.1995 um 07:15 Uhr morgens... ein Sonntag... ich war wie jedes Wochenende bei meiner Tante. Ich war oben, lag in meinem Bett und schaute gemeinsam mit meinem Onkel den "Lila Launebär" als das Telefon klingelte. Ich lief sofort oben zum Telefon und gleichzeitig nahm meine Tante unten ab ... am anderen Ende hörte ich jemanden im Hintergrund schluchtzen und mein vater sagte meiner Tante mit ganz leiser Stimme ... "Ihr müsst sofort her kommen... Deine Mutter ist gestorben." Ich ließ ganz langsam den Hörer auf die Gabel sinken, rannte zurück ins Zimmer, vergrub mein Gesicht im Kissen und fing an zu weinen.. mein Onkel fragte mich noch was los sei, aber da stand schon meine Tante im Zimmer, mit tränenüberströmten Gesicht und sagte dass wir sofort fahren müssen, weil Ihre Mutter gestorben sei. Als wir dort ankamen, gingen meine Mutter und meine Tante ins Schlafzimmer meiner Großeltern. Ich sollte weitergehen, aber ich habe durch den Spalt der Tür gelünkert und diesen Anblick werd ich mein Leben lang nicht vergessen... Einen Tag, nachdem das alles geschehen war, bin ich morgens aufgestanden und habe mich geduscht und fertig gemacht für die Schule. Ich stand vor dem Spiegel, und ich weiß es hört sich bescheuert an, aber ich hab auf einmal hinter mir ein Licht gesehen, da stand meine Oma drin und lächelte mich an. Das glaubt mir niemand... aber ich bin der festen Überzeugung, dass es so gewesen ist... 2 Monate später, ist meine andere Oma dann gestorben ... wieder ging ich ans Telefon als der Anruf kam... Zu Ihr hatte ich ein weniger enges Verhätnis, da Sie weiter weg wohnt. Mein Opa ist nach dem Tod meiner Oma (die die zuerst starb), sagen wir mal "verrückt" geworden. Wir haben Ihn dann bei uns aufgenommen. Unter der Woche, war er bei uns und am Wochenende bei meiner Tante. Er nannte jeden den er sah, beim Namen meiner Oma ... außer mich. Er hat seinen Humor nie verloren, muss ich dazu sagen. Nach einiger Zeit, hatten sich meine Mutter und meine Tante entschlossen, Ihn ins Altersheim/Pflegeheim zu überstellen, da er auch schon sehr alt war, war seine Pflege nicht mehr leicht zu händeln. Es war der 15.09.1997.. ich kam aus der Schule nach Hause und niemand war da. Ich wusste, das meine Mutter zu meinem Opa wollte, zusammen mit meiner Schwester. Jedoch war ich sehr erstaunt, als später, meine Mutter, meine Tante und meine Schwester zur Tür rein kamen. Das war für mich der nächste Rückschlag, als Sie mir eröffneten, das mein Opa nun auch gestorben sei. Bei seiner Beerdigung, war das alles zuviel für mich und als der Sarg ins Grab herunter gelassen wurde, wars meine Tante, die mich daran gehindert hat, Ihm hinterher zu springen. Ich war 13 Jahre alt und ich 2 der mir liebsten Menschen verloren und ich habe nie begriffen warum .... Jahrelang durfte in meiner Gegenwart niemand ein Wort über meine Oma und meinen Opa verlieren. Ich bin ausgerastet. Stundenlange Heulkrämpfe waren das Resultat.


    Ich hab mich immer mehr an meine Tante geklammert. Sie war das einzige was ich liebte, was mir geblieben war.
    Es war einen Tag nach meinem 17ten Geburtstag. Ich saß im Internetcafé und chattete mit Freunden, als mich meine Schwester auf meinem Handy anrief und mich fragte, ob ich Ihr die Nummer von meinem Onkel schicken könnte. Ich dachte mir nichts weiter dabei und schickte Sie Ihr rüber ...


    Nach einem halben Jahr, klingelte es an der Tür und ich war voller Euphorie, weil ich wusste, das meine Tante zu Besuch kam. Ich stand im Flur, mit einer Tasse Kaffee und strahlte Sie an. Ihre Miene verfinsterte sich und Sie sah meine Mutter an und sagte Ihr, dass Sie das nicht länger könnte und dass ich alt genug wäre, das zu verstehen. Sie schaut mich an und sagte "Ich werde sterben". Kurz und knapp ... nur dieser Satz ... ich brach weinend in Ihren Armen zusammen und sagte immer wieder "Du wirst nicht sterben"... Nach einer Zeit, hatte ich mich einigermaßen beruhigt und wir setzten uns in die Küche. Sie erzählte mir, dass vor 6 Monaten bei einer OP bei Ihr Methastasen an der gesamten Baudecke gefunden wurden und das sogar nur durch "zufall". Kurze Zeit später fing alles an ... Chemotherapie, Bestrahlungen ... das komplette Paket. Dann kam noch die Gelbsucht dazu und was weiß ich nicht mehr alles ... Die Chemo hat man bei Ihr durch den kompletten Körper gemacht, da man die Art des Krebs erst nicht feststellen konnte. Nach circa 2 Jahren, hat sich dann herausgestellt, dass Ihr Kampf "vergebens" war. Die Diagnose hieß fortan: Bauchspeicheldrüsenkrebs der leider unheilbar ist.


    Am 16.06.2003 wurde Sie dann in ein Sterbehospiz eingeliefert. Sie hatte noch immer Hoffnung, das alles wieder gut werden würde. Sie konnte zum Schluß, weder essen, noch trinken, geschweige denn sprechen. Am 21.06.2003 war ich dann mit bei Ihr ... Weiße Haare, ganz blaß und aufgedunsen war Sie, da mitlerweile der Krebs im ganzen Körper gestreut hatte... In einem kurzen Moment, als meine Mutter draussen mit der Pflegerin sprach, bat Sie mich zu Ihr ans Bett zu kommen... Ich setzt mich auf Ihr Bett und beugt mich runter zu Ihr, da Ihr das Sprechen sehr große Mühe bereitete. Sie sagte "Traure nicht um mich. Weine nicht um mich. Lächle, dass endlich bei meinen Eltern sein kann, vereint mit Ihnen. Ich werde bei Dir sein. Jeden Tag, jede Nacht. Ich sitz auf irgendeiner Wolke und beobachte Dich." Am 23.06.2003 ist Sie gestorben. Meine Mutter sagte mir, dass mein Onkel mich zu Hause angerufen hat, um mir zu sagen dass meine Tante gestorben sei, aber daran kann ich mich nicht erinnern. Meine Mutter meinte auch, dass ich als Sie nach Hause kam, ganz fröhlich war und gefragt habe wie es meiner Tante gehen würde. Ich kann mich bis heute, knapp 6 Jahre danach nicht daran erinnern an das Telefonat.


    Ich habe dieses Versprechen bis heute gehalten. Ich habe nicht getrauert. Ich habe nie geweint, zu keinem Zeitpunkt. Ich habe immer nur gelächelt und doch kann ich nur schlafen, wenn Wolken am Himmel sind ...


    Danke für's zuhören

  • Lieber Gast,
    das ist eine lange und traurige Geschichte. Auch nach 6 Jahren möchte ich dir mein Beileid aussprechen.
    Das du auch heute noch nicht schlafen kannst, finde ich sehr bedenklich. Du hast die ganzen Jahre nicht wirklich getrauert. So ein Versprechen kann man nicht abgeben. Du kennst vorher deine Gefühle garnicht. Ich denke niemand wird dir da oben böse sein, wenn du Tränen vergießt. Wut, Scham, Verzweiflung, Tränen und das Warum gehören zur Trauer.
    Ich finde du solltest dir Hilfe holen und deine so fest verschlossene Trauer langsam verarbeiten.
    Deine Lieben sind in deinem Herzen immer bei dir. Und deine Tante ist jetzt dein Schutzengel.
    Ich wünsche dir viel Kraft das Geschehene zu verarbeiten.
    Ich zünde eine Kerze für dich und deine Lieben an

    :trauerkerze_14:


    Liebe tröstende Grüße Mummy

  • Hallo lieber Gast,
    :k116::k117::k113:
    Diese 3 Kerzen leuchten für deine Angehörigen.
    Ein Versprechen nicht traurig zu sein, dass ist sehr viel verlangt.
    Manche Versprechen können wir nicht einhalten, denn gerade in der Trauer ist es sehr wichtig drüber zu reden, schreiben und diese Trauer zuzulassen. Es ist sehr schöne Vorstellung, dass deine Tante auf einer Wolke auf Dich aufpasst, aber auch ohne der Wolke ist sie bei Dir und zwar tief in deinen Herzen. Es ist gerade in der Trauer wichtig Tränen zu vergiesen und auch Du hast das Recht traurig zu sein.
    Ich denke nicht, dass Dir deswegen jemand böse sein wird.
    Stillen Gruß
    Marek Jan

  • Lieber Gast,
    erst einmal mein herzliches Beileid und ich möchte Kerzen für deine Verstorbenen anzünden.
    :trauerkerze_47:
    Das Versprechen,was du abgegeben hast ist ein sehr großes und schweres. Du musst weinen und trauern sonst frisst es dich innerlich auf und du gehst selbst daran kaputt.
    Trauern ist ein vielseitiger Prozess, es heißt nicht immer nur zu weinen und traurig zu sein. Zu der Trauer gehören auch die fröhlichen Momente,die schönen Erinnerung und eben auch solche Begegnungen die du mit deiner Oma im Badezimmer hattest.
    Du darfst dich vor deinen eigenen Gefühlen nicht verkriechen,sie finden dich immer... Nur wenn du rauslässt was raus muss kannst du anfangen wieder zu lächeln wenn du an deine Verstorbenen denkst.

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