Lieber Matthias,
Ich verlor meinen Mann letztes Jahr am 31.05.2020, aufgrund einer Diarrhoe, die innerhalb von 4 Wochen, durch massiven Gewichtsverlust zu einem multiplen Organversagen führte.
Er wollte durch die traumatische Erinnerung an seinen Vater, der durch ein Lungenkarzinom allein im Hospiz verstarb, partout nicht ins Krankenhaus. Wir wohnen 300km weit weg. Für ihn war die Vorstellung allein im Krankenhaus sein zu müssen unvorstellbar grausam.
Wir hatten verabredet, sollte es dieses Wochenende nicht besser werden mit dem Beibehalten der Nahrung, ( Mein Mann aß zwar und behielt es eine Zeit lang bei sich, doch dann musste er wieder zur Toilette, um sich zu entleeren ) würde er am Mo. wider willens ins Krankenhaus gehen. Doch dazu kam es nicht mehr, auf dem Flur beim Gang zur Toilette brach er ohnmächtig zusammen. Ich lagerte ihn in die stabile Seitenlage, wie ich es als Krankenschwester gelernt hatte. Es geschah alles automatisch, verständigte den RTW, half bei der 52minütigen Reanimation, bei der sich die beiden Rettungssanitäter und der Notarzt abwechselten mit, indem ich die Infusion hielt und immer wieder stammelte, bitte nicht aufgeben. Doch es nutzte nichts, meine Kinder saßen traumatisiert im Wohnzimmer. Andreas wurde nach 52 Minuten Reanimation für Tod erklärt. Er verstarb in meinen Armen. Der Notarzt, der die Dokumentation für die Reanimation und den Zeitpunkt des Todes ausstellte, erklärte mir, wenn mein Mann ins Krankenhaus gekommen wäre, hätte man ihn sondiert und sediert, um ihm die Schmerzen zu erleichtern. Er wäre ans Bett gefesselt gewesen. Er vermutet, aufgrund des großen Gewichtsverlust innerhalb kürzester Zeit eine tumoröse Grunderkrankung. Der Wunsch meines geliebten Mannes ging in Erfüllung, er musste nicht allein sein, sondern verstarb in meinen Armen im Kreis seiner Familie in seinem Haus. Doch wie soll es weitergehen ohne Andreas, sein jüngster Sohn hat heute Geburtstag uns sein Papa erlebt ihn nicht mehr mit Unsere mittlere Tochter macht dieses Jahr Abitur, ihr Papa wird ihr fehlen. Unser großer Sohn wird dieses Jahr 33 und kämpft schon mit ein paar grauen Haaren, sie werden sich nie wieder gegenseitig necken. Alle drei, der kleine Mann und die beiden großen Männer teilten den gleichen trockenen Humor.
Wer zurück bleibt sind wir. Unsere Art zu trauern ist verschieden. Für mich ist die Trauer über den Verlust meines Mannes immer präsent. Ich spüre und erlebe diesen großen Schmerz geistig, seelisch und körperlich. Ich kann zwar wieder alleine schlafen und auch in den Supermärkten einkaufen, wo mein Mann eingekauft hat, bin auch nicht mehr jeden Tag auf dem Friedhof. Doch mein ständiger Begleiter ist dieses: " Er ist nicht mehr da " und zu Hause ist es am schlimmsten. Andrea