Wie soll ich anfangen
Ich hatte nie direkte Erfahrungen mit dem Tod.
Meine Frau war viele Jahre schwer krank. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten 2011/12 ging es ihr aber wieder richtig besser. Wir haben wieder gelebt, verrückte Sachen gemacht. Wie früher. Das Leben kehrte zurück. Wir waren noch einmal glücklich. Sie hat gemalt, lernte japanisch und hat den Garten geschmissen.
So um 2016 herum verschlechterte sich ihr Zustand wieder. Langsam, fast unmerklich. Ärztliche Behandlung oder gar Krankenhaus lehnte sie strikt ab. Das lange Leiden begann. Sie wurde bettlägerig und inkontinent. Ich habe sie gepflegt. Zum Glück arbeite ich gleich nebenan und habe einen verständnisvollen Chef. Da konnte ich immer mal hin und her wechseln zwischen Arbeit und Pflege.
Im Oktober 2017 kam der erste Zusammenbruch. Sie lag spätabends nicht ansprechbar mit Krämpfen in ihrem Bett. Ich habe mein Versprechen keinen Arzt einzuschalten gebrochen und den Notarzt gerufen. Sie kam sofort ins Krankenhaus, wo man sie in 4 Wochen wieder ein wenig aufgebaut hat. Anschließend 4 Wochen Kurzzeitpflege und Weihnachten 2017 war sie wieder zu Hause. Es ging ihr zwar deutlich besser als im Oktober, aber ich spürte irgendwie, dass sehr sehr dunkle Wolken aufziehen.
Der Frühling ist bei uns im Südwesten ausgefallen. Im März war noch Spätwinter und der April startete mit Frühsommer. Wir haben noch einige wunderschöne Ausflüge machen können und haben viele Orte besucht, an denen wir glücklich waren. Auch die erwachsenen Kinder waren dabei. Die Situation hat unsere kleine Patchwork Family wieder richtig zusammen geschweißt.
Im Juni war sie noch einmal eine Woche im Klinikum, wurde aber auf eigenen Wunsch entlassen.
Danach ging es steil bergab. Ich habe sie Ende Juli noch einmal in die Notaufnahme des Klinikums gebracht. Ich wusste mir keinen anderen Rat mehr. Der diensthabende Arzt hat eine Behandlung abgelehnt, mit der Begründung, dass meine Frau diese zuvor verweigert hat. Er dürfe keine Patienten gegen ihren Willen behandeln.
Meine Argumentation, dass meine Frau zu diesem Zeitpunkt nicht mehr entscheidungsfähig war, wies er rundweg zurück.
DIESER ARZT HAT MICH MIT MEINER STERBENDEN FRAU NACH HAUSE GESCHICKT!
Ich habe sie in ihren Rollstuhl gehievt und zu unserem Auto gefahren. Niemand hat geholfen. Wir sind dann noch einmal zu einem ihrer Lieblingsplätze gefahren. Eine winzige Kapelle an einer kleinen Passstraße zwischen dem Sulzbachtal und dem Schuttertal. Ich bin so sanft wie irgend möglich gefahren, aber jede Bodenwelle tat ihr weh. Aber wir wollten da rauf. Der Blick geht weit rüber nach Frankreich. Die Vogesen am Horizont. Sie liebte das Elsass über alles.
Zurück zu Hause habe ich mit Himmel und Hölle telefoniert. Brauchte Hilfe. Aber es war Freitag, da geht nicht viel. Am Schluss bin ich bei der Diakonie gelandet. Die haben mir ein Team von 3 Ärztinnen genannt. Die würden sicher helfen, aber erst Montag.
Meine Frau hat das Wochenende aber nicht überlebt. Sie starb Samstag Nachmittag.