Hallo
Ich will einfach mal reden.
Letztes Jahr, Ende September, ist völlig überraschend mein Papa gestorben. Er ist freudestrahlend mit seinen Kollegen am Nachmittag zum Betriebsausflug und kam im Sarg zurück. Herzinfarkt. Sie haben alles getan um ihn zu retten aber es war nutzlos. Der behandelnde Notarzt meinte er hätte wohl auch nix mehr tun können, selbst wenn er innerhalb von fünf Minuten vor Ort gewesen wäre.
Ich telefonierte gerade mit meiner Mutter als Arbeitskollegen ihr die Nachricht überbrachten.
Bevor ich zu ihr fuhr, brach ich zusammen. Ich saß auf der Straße vor meinem Auto und bekam einen Schreikrampf. Es war nicht lange, dann legte sich der Schalter um und ich funktionierte. Ich habe das Gefühl, dass ich bis heute mache. Funktionieren. Für meine Familie, für meine Mama, für meine Schwester. Klingt vielleicht egoistisch aber ich habe das Gefühl, dass ich dabei immer auf die Gefühle andere Rücksicht nehme und meinr eigenen völlig ignoriere. Wobei ich nicht mal sicher bin, was diese wären. Es fühlt dsoch noch so unvollendet an.
Jedenfalls bin ich dann mit meinem Mann zu meiner Mama gefahren. Sie saß in der Küche und irgendwie waren überall Menschen. Im nachhinein erinnere ich mich, dass sie mir unendlich groß vorkamen und meine Mama so klein.
Noch auf dem Weg zu meiner Mama fing ich an zu organisieren. Ich rief eine Freundin an mit der Bitte sich um meine Kinder zu kümmern, welche gerade beim Fussball waren. Danach telefonierte ich mit meiner Chefin damit ich die nächsten Tage frei bekomme.
Nach einer gewissen Zeit in der unwirklichen Küche nahm ich Kontakt zu einem Bestattungsinstitut auf. Da fühlte iich mich sehr gut aufgehoben. Die Dame war sehr kompetent und führte mich sachlich durch unvermeidbare organisatorische Dinge. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, es werden mir Sachen abgenommen. Sie führte mich zu Entscheidungen wovon ich gedacht hätte sie nie treffen zu können. Aber nach dem Telefonat hatte ich das Gefühl die last tragen zu müssen. Nach unendlichen Runden im Hof meiner Mama, kam endlich der Bestatter, welcher meinen Papa vor Ort abholte. Er brachte die notwendigen Unterlagen. Danach ging es mach Hause und ich musste es meinen Kindern erzählen. Noch heute habe ich tränen in den Augen. Ihnen vom Tod ihres Opas zu berichten war sehr schwer für mich. Ab dann begann das Grauen der ersten Nacht. Uch verbrachte sie zum großen Teil vorm Fernseher. Was kam weiß ich nicht mehr.
Am nächsten morgen begann ein Organisations-Marathon. Bestattungsinstitut, Pfarrer, Friedhof. Es war ein kampf. Meine Mama wollte ihn so schnell wie möglich beisetzen, der Bestatter hatte wohl andere Pläne. Zuerst kämpfte ich gegen einen, für meine Begriffe in Valium gehüllten Mann, der mich als hysterisch abkanzelte. Ich versuchte sachlich einen Weg zu finden, dem Wunsch meiner Mama nachzukommen. Die kompetente Dame des vorabends war nicht mehr da. Wir benötigten Unterlagen vom Standesamt des Sterbeortes, doch schon in Erfahrung zu bringen welche, geschah nicht kampflos. Am Nachmittag kamen wir dann endlich im bestattungsinstitut an. Mit allen Unterlagen.
Und wieder begann ein Kampf. Vor uns ein Bestatter mit dem festen Willen seine “Traum-Bestattung“ durchzuführen. Jeglicher abzuarbeitender Punkt war ein kampf. Traueranzeige: kann angeblich nicht mehr aufgegeben werden. Die Erstellung würde zu lange dauern, Redaktionsschluss der lokalen Zeitung und die Zeit für die Erstellung des Layouts würde nicht funktionieren.
Ablauf der Beerdigung: Verabschiedung im Institut oder auf dem Friedhof? Ein Kampf. Bestatter so. Unser Wille eigentlich anders. Letztendlich haben wir uns überzeugen lasse es auf dem Friedhof zu machen. Im nachhinein keine gute Entscheidung. Weiterhin versuchte mich der Bestatter davon zu überzeugen dass sich meine Kinder auch am offenen Sarg verabschieden sollten. Dies hatte aber zuvor mit meinem mann besprochen dass wir das nicht wollen. Ich musste mir Vorwürfe vom Bestatter anhören, dass ich meinen Kindern ein Teil der Trauer nehmen würde und sie mir das irgendwann vorwerfen würden. Ich blieb bei der Entscheidung da ich meine beiden Kinder so einschätzte dass sie das nicht verkraften würden. Die Auswahl des Sarges war eine Herzensentscheidung. Wir sahen ihn und meinten das er passen würde. Das es zufällig der güntigste war gefiel dem Bestatter natürlich auch nicht. Der nächste Kampf begann. Im nachhinein empfand ich die Stunde im Bestattungsinstitut extrem anstrengend. Nicht weil die Entscheidungen so schwer fielen sondern eher da wir oftmals nach herz und gefühl entschieden, was dem Bestatter wenig gefiel. Auüerden hatte ich immer das gefühl ständig rücksicht nehmen zu müssen. Auf neine Mutter und Schwester. Um niemanden zusätzlich tu verletzen. Die Blumen beim Gärtner zu bestellen war dann eines der leichtesten Aufgaben.
An die Tage bis zur Beerdigung kann ich mich nicht erinnern. Ich schlief abwechselnd mit meiner Schwester bei meiner Mama.
Der Tag der Beerdigung
Wir wollten uns eine Stunde vorher treffen um uns am offenen Sarg zu verabschieden. Wir legten fest, nur wir als nahe Verwande, Papas Mutter und seine Geschwister. Mehr nicht. Das war der Wille meiner Mama außerdem glauben wir mein Papa hätte es auch so gewollt. Auf dem Friedhof angekommen stand schon die Schwester sowie der Bruder meiner Mama dort. Warum sie da waren weiß ich nicht. Denn wir informierten sie darüber dass sie nicht an den offenen Sarg dürfen.
Als ich dann mein Papa so dort liegen sah konnte ich fast nich glauben dass sas mein Papa ist. Er war so kalt und achwach. Für mich war mein Papa immer mein Held. Mein großes Vorbild. Und dann liegt er da und ist nicht mehr. Einfach weg. ich habe ihn so lieb.
Danach wolltendie die Geschwister meiner Mama zu ihm. Mehrmals nahmen sie anlauf und wir verwehrten ihnen den Zutritt. Im nachhinein erfuhr ich, dass man sich lauthals darüber beschwerte.
Die folgende zeit verflog wie im Flug. Wir saßen vor dem geschlossenen Sarg und der Strom der Kondulierenden nahm kein Ende. Ich kann mich an beine erinnern und an Hände. Unendlich viele Menschen standen vor mir. So hatte ich jedenfalls dass Gefühl. Danach folgte die Beisetzung und der Gottesdienst. Dann das Trauerbrot. Ich ging dann nochmal alleine zum Grab. Aber irgendwie war eine Grenze überschritten. Ich könnte und kann bis heute nicht weinen. Es ist jetzt fast ein halbes Jahr her und ich weine nicht. Das ganze wird immer mehr zur Last. Die Erinnerung an meinen Papa, der Drahtseiltanz bei meiner Mama und meiner Schwester. Meine Gefühle vor ihnen auszusprechen ist mir unmöglich aus Angst jemand zu verletzten. Der wunsch einfach mal richtig zu weinen wächst aber ich kann nicht. Ich hab ein Foto hier von meinem Papa.
Häufig sitz ich davor und denke an ihn.
Dieser Text ist kein Vorwurf an meine Mama o Schwester oder an sonst wen. Ich wollte einfach mal meine Gedanken aufschreiben.