Am 30.12.2011 um 10:15 Uhr ist mein lieber Papa verstorben.
Zirka zwei Wochen zuvor klagte er über Rückenschmerzen und wurde vom Hausarzt auf einen BV hin behandelt.
Die Schmerzen vergingen, zumindest erst, zwei Tage vor seinem Ableben erzählt er das die Tabletten nicht mehr so gut wirkten.
Er kaufte einen Tag vorher noch ein, für Silvester.
Am Abend kam er zu mir und gab mir eine Tüte, darin war ein wunderschönes Tuch mit silbernen Ringen die man verschieben konnte, in der Mitte hing ein großes Herz.
Das hätte ein Weihnachtsgeschenk sein sollen, doch er hatte auf die Tüte vergessen.
Ich freute mich sehr, bedankte mich bei ihm und probierte es gleich aus.
Ich hätte nie geahnt dass ich es zum ersten Mal auf einer Beerdigung tragen werde.
Und hätte ich es gewusst, dann hätte ich ihn zum Dank dafür umarmt.
Am 30.12 fand meine Mutter ihn durch Zufall, sie dachte er wäre bereits arbeiten.
Er sah’s an seinem Schreibtisch, zusammengesunken in seinem Stuhl.
Sie kam sofort zu mir ins Schlafzimmer, schrie es würde etwas mit Papa nicht stimmen.
Ich rannte sofort zu ihm, drückte die Tür so weit auf wie möglich um ihn sehen zu können und rief dann den Notarzt.
Danach ging ich wieder zu ihm, wollte schauen ob ich ihn wieder wach bekomme.
Der Kaffee neben ihm war bereits kalt und im Aschenbecher war eine Zigarette verqualmt.
Der Firmen-Laptop hatte sich ausgeschaltet.
Seine Augen waren geschlossen, es sah aus als würde er schlafen.
Erst in diesem Moment sah ich das er nicht mehr atmete.
Und ich verstand.
Ein Team aus vier Notärzten drängte die Tür auf, sie hoben ihn aus dem Stuhl und legten ihn auf den Boden zwischen die Tür, sie fingen sofort an ihn zu reanimieren.
Ich höre jetzt noch die Beatmungsmaschine, wie sie sich zusammen zieht und ausdehnt.
Immer und immer wieder.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor als ich den Helikopter hörte, der am Ende der Straße landete.
Er flog bald darauf wieder weg, ohne gebraucht worden zu sein.
Der eine Notarzt sagte uns, es sehe sehr schlecht aus und wir müssten damit rechnen das er es nicht schafft.
Nach über 30 Minuten gaben die Notärzte auf, stellten alle Maschinen ab und gingen.
Man erklärte uns das anscheinend seine Bauschlagader gerissen war.
Manchmal kündigt sich das durch Rückenschmerzen an und das es die zehnthäufigste Todesursache bei Männern wäre.
Ein Mann von der Feuerwehr kam zu mir und fragte ob wir psychologische Hilfe bräuchten.
Ich verneinte.
Alle wollten gehen, Papa lag noch immer mitten in der Tür auf dem Boden.
Sie hätten ihn dort liegen lassen.
Auf meine Bitte hin legten sie ihn in sein Bett.
Ich höre immer noch meine Worte als ich meinen Bruder anrief.
"Komm sofort, Papa, es geht um Papa. Die Ärzte gehen"
"Bringen sie ihn ins Krankenhaus?"
"Nein. Er hat es nicht geschafft".
Der Hausarzt ging als mein Bruder kam.
Die Beerdigung war Vorgestern.
Meine Mutter, ich und meine beiden Geschwister waren da.
Zwei Brüder meines Vaters.
Es wirkte furchtbar trostlos und leer in der Messe.
Doch zur Trauerfeier änderte sich das.
19 Arbeitskollegen meines Papas kamen, obwohl er "nur" der Vorgesetzte war den Viele dieser Leute erst seit kurzem kannten.
Viele haben geweint.
Jetzt ist alles vorbei und zurück bleiben die vielen Erinnerungen in dieser Wohnung.
Überall erkennt man ihn und mir ist als wäre er nur kurz weg, einkaufen, auf der Arbeit.
Es ist still in der Wohnung, leer und fremd.
Ich kann im Moment immer noch nicht glauben was passiert ist, geweint habe ich auch noch nicht viel.
Als ging es an mir vorbei, als würde ich mir krampfhaft einreden es sei nicht passiert, er kommt gleich heim.
Alles ist unwirklich, ich habe das Gefühl ich stecke in einem Alptraum fest aus dem ich einfach nicht aufwache.
Ich habe mich bis jetzt um alles gekümmert, versucht meine Mutter hoch zu halten, versucht alles von ihr fern zu halten.
Gleichzeitig meine Schwester gestützt und den Haushalt gemacht.
Ich kann die Stille nicht ertragen.
Im Schlafzimmer habe ich aufgeräumt, es sieht so aus als würde er immer noch hier schlafen und arbeiten.
Es sieht... normal aus.
Alles was an diesen furchtbaren Tag erinnert ist der Fleck auf dem Teppich den eine der Infusionen verursacht hat.
Ich weiß das er hier ist, hier wo wir gelebt haben, hier wo er starb.
Es wird immer unsere Wohnung bleiben, sein Platz bleibt frei, sollte er heim kommen.
Und ich bin mir sicher das wird er, auch wenn ich ihn dann vielleicht nicht mehr sehen kann.
Ich liebe dich Papa und du wirst hier immer willkommen sein.