Innere Blockade nach Tod der Mutter?

  • Hallo,


    ich möchte erstmal alle begrüßen. Ich finde es sehr gut, dass es (virtuelle) Einrichtungen wie diese hier gibt. Ich bin aber (wie wahrscheinlich die meisten) aus einem sehr unschönen Grund hier gelandet. Vorletzten Monat ist meine Mutter im Alter von nur 54 Jahren an Krebs gestorben. Die Krankheit wurde bei ihr im Februar 2010 festgestellt und ziehmlich genau ein Jahr später, im Februar 2011, war bereits alles vorbei. Leider ist die Krankheit schlicht und ergreifend zu spät festgestellt worden, da sie zu lange keine Beschwerden bereitet hat. Außerdem war meine Mutter für die Krankheit eigentlich noch "zu jung". Das empfohlene Vorsorgealter bei Darmkrebs liegt bei 55 Jahren. Leider gibt es wie bei allem im Leben auch hier Ausnahmen.


    Ich hatte nie eine besonders große Familie und eine wirklich enge und intensive Beziehung hatte ich nur zu meiner Mutter und zu meinem, bereits 1998 verstorbenen, Großvater. Meine Mutter hat mich alleine großgezogen, weil mein Vater, der zuvor ein relativ normaler Mensch war, einen "Rappel" bekommen hat, als ich 3 Jahre alt war. Die Verantwortung ist ihm scheinbar über den Kopf gewachsen und so ist er irgendwann abgehauen. Das hat meine Mutter sehr mitgenommen. Trotzdem hat sie mich das nie spüren lassen. Sie hat alles getan, um mir eine möglichst unbeschwerte Kindheit zu bereiten. Meine Mutter war immer sehr verständnisvoll und auf ihre eigene Weise auch "cool", wenn man es so sagen möchte, da sie für viele "jugendlichere" Themen zu haben war. Kurz gefasst: Wir hatten wirklich ein prima Verhältnis und so war es für mich auch kein Problem, im Jahr 2009, im Alter von bereits 24 Jahren, nochmal mit ihr zusammen in eine neue Wohnung zu ziehen, einfach weil ich sie nicht als "klassiche strenge Mutter" gesehen habe. Da man aber mit 24 nicht mehr unbedingt das klassische "Kinderzimmer" haben möchte, sind wir dann in eine "Maisonette Wohnung" gezogen, in der jeder seine eigene kleine Etage hatte. Wohnzimmer und Küche haben wir uns aber immer noch geteilt und auch oft zusammen gesessen und das hat absolut problemlos funktioniert. Auch bei meinen Freunden war meine Mutter wegen ihrer ganzen Art sehr beliebt.


    Leider kam dann im Jahr 2010 die Diagnose "Darmkrebs mit Metastasen in Leber und Lunge". Meine Mutter hatte zuvor über mehrere Wochen über "Stiche" in der Seite geklagt. Wie sich später rausstellte, waren das bereits die Metastasen in der Leber. Die Diagnose war für uns beide ein Schock. Meine Mutter war von Natur aus sowieso immer schon etwas "depressiv" veranlagt und hat natürlich nur noch geweint. Sie hat sich auf nichts mehr gefreut und wenn man ihr etwas vorgeschlagen hat, dann hat sie oft Sätze gesagt wie "Das lohnt sich ja eh nicht mehr." oder "Ob ich dann noch da bin?". Sätze wie diese waren für mich immer wie ein Schlag ins Gesicht. Da ich meiner Mutter nicht das letzte bisschen Hoffnung nehmen wollte habe ich meistens mit irgendwas wie "Ach red doch nicht sowas" oder "das wird schon" geantwortet, obwohl ich am liebsten auf der Stelle angefangen hätte zu weinen.


    Zu meinem Problem, wegen dem ich hier schreibe, komme ich jetzt: Das Jahr in dem meine Mutter krank war, war für mich die Hölle auf Erden. Ich konnte es nicht ertragen, meine Mutter so leiden zu sehen. Die Chemo-Therapie hat ihr sehr zugesetzt und zudem absolut nichts gebracht. Ich konnte ihr nicht helfen und das hat mich fast verrückt gemacht. Da wir, wie oben beschrieben, so ein enges Verhältnis hatten, konnte und wollte ich mir ein Leben ohne meine Mutter nicht vorstellen. Ich hatte Panikattacken und ich hab mich teilweise, wenn ich mich unbeobachtet gefühlt habe, im Bad eingeschlossen und auf dem Boden liegend geweint. Einige Tage nach der Diagnose habe ich zudem nur noch den Ausweg gesehen, nach dem Tod meiner Mutter Selbstmord zu begehen. Ich hatte bereits begonnen einen Abschiedbrief an meine Freunde und Kollegen zu schreiben. Doch seit meine Mutter wirklich tot ist, ist dieses Gefühl der Panik mehr einem Gefühl der "Leere" gewichen. Ich habe bis jetzt z. B. "kaum" geweint, obwohl ich mich teilweise schon bewusster Provokation aussetze, indem ich mich beispielsweise einfach in ihr Zimmer setze. Einfach aus dem Grund, da mir mein eigenes Verhalten langsam Angst macht. Meistens bringt nichtmal das etwas. Es läuft alles zu normal. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass ich monatelang nur weinen würde, wenn meine Mutter stirbt und was ist? Bereits 2 Wochen nach ihrem Tod bin ich wieder ins Büro gegangen und habe ganz normal gearbeitet und mit meinen Kollegen rumgeblödelt. Den ganzen Schreibkram mit Versicherungen, Ämtern, etc. habe ich ohne eine Träne zu vergießen abgewickelt. Fast jeden Abend schäme ich mich dafür, da dieses Verhalten nicht meinen eigenen Erwartungen an mich entspricht. Meine Mutter war auch sehr Auto-begeistert (kleines beispiel für ihre "jugendliche Art"), deshalb hatte Sie sich vor 4 Jahren selber ein Cabrio zum Geburtstag geschenkt. Dieses Auto habe ich nun natürlich geerbt. Bereits eine Woche nach dem Tod meiner Mutter bin ich mit dem Wagen zum TÜV gefahren, habe verschiedenste Reparaturen durchgeführt, usw. Im Nachhinein habe ich mich vor mir selber dafür "geekelt", weil ich mir gedacht habe "Hast du eigentlich im Moment nichts anderes zu tun, als mit der Karre rumzuspielen?!"


    Meine eigene Vermutung ist, dass mein Unterbewusstsein im Moment noch versucht, das ganze Ausmaß dieser Katastrophe zu verdrängen, bzw. dass es sich um eine Art "Selbstschutz" handelt. Bei jedem Haustier das bis jetzt in meinem Leben gestorben ist, habe ich nach außen hin mehr getrauert als jetzt bei meiner Mutter, die mir einfach alles bedeutet hat und das kann es doch eigentlich nicht sein. Irgendwas stimmt nicht mit mir.

  • Hallo Du...


    es sind 2 Monate her, wo Deine Mutter aus dem Leben gehen musste. Wie bist Du der Trauer um Deinem Großvater begegnet? Hast Du da trauern können? Denn auch dieses Verhältnis ist wohl ziemlich vertraut gewesen.


    .... wer ist für Dich da? Wer begleitet Dich mit Deiner Trauer, nimmt Dich vielleicht in den Arm? Gibt es da eine Person? Oder hast/kennst Du andere Kraftquellen, die Dir Halt geben, Dich berührt?


    Für die Trauer gibt es keine "DIN-Vorschrift". Sie ist individuell. Einige brauchen Menschen, um ihre Trauer ausdrücken zu können. Einige brauchen Kerzen, andere die Nacht. Musik, Malen, Orte, Kleidungsstücke, Musiktitel. Aktivitäten,...... "nur" die Gedanken/Fotos.... alles ist möglich. Gekoppelt.... aber vor allem: alles braucht Zeit.


    Wenn nun alles auf Dich einstürzen würde, dann könnte es die Seele nicht aushalten. Du würdest aus dem Leben gehen (wollen), weil alles zu viel sein würde. Weil alles gar nicht tragbar ist, was auf einen einstürzen kann. Dafür gibt es die "innere Leere". Die einen Selbstschutz darstellt. Wenn zu viele Gefühle vor allem zusammentreffen.


    Bitte gebe Dir Zeit. Vielleicht kann eine Selbsthilfegruppe Dich begleiten, wenn Du nach Kontakten, Verständnis Dich sehnst. Oder hier Schreiben. Oder das findest, was Dir gut tut. Wo Du Deine Mama am ehesten spüren kannst, wenn Du es aushalten kannst.


    Gebe Dir aber bitte Zeit. Aber auch Verständnis. Es gibt kein "normal" und keine "Unnormalität". Sondern einfach nur "die individuelle Bewältigungsstrategie".


    Mut für Dich. Und Energie... für Dein Leben, für Deinen Weg.

  • Lieber Gast,

    Trauer braucht Zeit und geht ihre eigenen Wege.
    Der eine weint, der andere repariert ein Auto, es gibt kein richtig oder falsch.
    Gib dir Zeit zu begreifen, das deinen Mama nie mehr wieder kommt, aber immer in deinem Herzen ist.


    Ich würde Dich gerne hier ins Forum einladen, damit Du Trost und Verständnis finden und Kraft tanken kannst im lesen und schreiben von Beiträgen.
    Ähnliche Schicksale wirst Du hier im Forum finden und vielleicht magst Du Dich mit Gleichgesinnten austauschen ?

  • Guten Abend,
    deine Geschichte ging mir sehr nah! Dass, was du erlebt hast, ist meiner Geschichte sehr ähnlich.
    Meine Mutter ist vor einem Jahr verstorben. Sie hatte ebenfalls Krebs und war zudem auch, genau wie deine Mutter,
    depressiv. Auch ich habe mich nach zwei Wochen wieder in die Arbeit gestürzt. Im nachhinein frage ich mich,
    ob mich das gerettet hat oder ob ich zu dem Zeitpunkt einen riesen Fehler begangen habe. Ich plage mich mit
    Schuldgefühlen, da ich ihr nicht helfen konnte. Ich vermisse Sie jeden Tag und es schmerzt auch jeden Tag.
    Im Gegensatz zu dir, weine ich ständig. Und ich habe das Gefühl, nicht von der Stellte zu kommen.
    Dadurch bin ich nicht besser oder schlechter. Es ist einfach so. Damit will ich sagen, dass wirklich jeder seinen
    Weg finden muss, mit der Situation zu leben. Du bist kein schlechter Sohn, nur weil du das Auto deiner lieben Mutter
    zum TÜV fährst. Es ist so schwer von der geliebten Mutter Abschied zu nehmen. Und das kann auch nur jemand wie
    wir nachempfinden. Manchmal kommt ein kleiner heller Gedanke, der mir sagt, dass ich doch glücklich sein kann, so eine
    liebe Mutter gehabt zu haben....... das ist zumindest mehr als viele haben! Ich wünsche dir alles Liebe...........

  • Neu erstellte Beiträge unterliegen der Moderation und werden erst sichtbar, wenn sie durch einen Moderator geprüft und freigeschaltet wurden.

    Hier handelt es sich um ein Trauer-Austausch-Thema.
    Bitte in diesem Thema KEINE Kerzen verwenden.